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Deutsch

„Nebel im August“ – Lesung von Robert Domes

Robert Domes begann seine Lesung für die Klassen 9 und 10 in der neuen Turnhalle zunächst mit der Entstehungsgeschichte des Buches. In dem Roman geht es um die Lebensgeschichte des Ernst Lossa, der im Alter von knapp 15 Jahren Opfer des Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten wurde.

Etwa 6 Jahre recherchierte Domes, bis er zu schreiben begann und aus den ihm bekannten Fakten einen Roman entstehen ließ, der die Handlung nicht aus Ernsts Ich-Perspektive skizziert, aber stets das Geschehen aus seinem Blickwinkel zeigt.

Der Roman basiert auf einem Gerüst von Fakten, die historisch korrekt sind, und zwar bis hin zu Details wie dem Wetter. Robert Domes bedient sich, um die trockenen Akten zu einem lebendigen Roman umzugestalten, zweier Kunstgriffe: Zum einen füllt er die vorhandenen Informationen mit Leben und Gefühlen aus. Zum anderen schildert er die Geschehnisse aus dem Blickwinkel des Jungen, begibt sich auf seine Augenhöhe. Zu Lebzeiten wurde Ernst Lossa von den Nationalsozialisten als „Psychopath“ abgestempelt. Domes setzt dem die Sicht des Opfers entgegen und schildert Ernst Lossa als liebenswerten, anhänglichen und hilfsbereiten jungen Menschen – also so, wie er von Zeitzeugen beschrieben wurde.

Zunächst schilderte der Autor die Lebensumstände von Lossas Familie, so genannten Jenischen, die mit Hausieren ihr Geld verdiente und die später nach der nationalsozialistische Rassenlehre als „Zigeuner“ verfolgt wurden. Ernst war der Älteste von vier Geschwistern; er und seine zwei Schwestern wurden den Eltern 1933 von den Nationalsozialisten weggenommen und in einem Kinderheim untergebracht. Die Mutter starb, als er 4 Jahre alt war, der Vater wurde später Opfer in einem KZ. 1940 kam Lossa wegen „Unerziehbarkeit“ in das Jugenderziehungsheim Indersdorf, im April 1942 wurde er zwangsweise in die ‚Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren‘ eingewiesen, in der Euthanasie-Morde und auch gezielte Tötungen von Patienten vorgenommen wurden, im Mai 1943 wurde er in die ‚Zweiganstalt Irsee‘ verlegt. Die Euthanasiemorde erfolgten durch Injektionen mit überdosierten Medikamenten oder durch Verhungern lassen durch Unterernährung.

Nach dieser Einführung begann der Autor mit seiner Lesung, in der er Schlüsselstellen des Buches vortrug und dann kommentierte. In verschiedenen Episoden wurde nun nach und nach Ernsts Leben lebendig und anschaulich, wir konnten uns vorstellen, was passierte und wie es dem Jungen ging. Von Szene zu Szene wurde die Situation für den auf sich alleine Gestellten schwieriger. Die Verhältnisse zu anderen Kindern und Jugendlichen skizzierten teilweise kleine Lichtblicke, aber oft auch die Unbarmherzigkeit und Grausamkeit des damaligen Systems.

Der als „asozialer Psychopath“ abgestempelte Ernst Lossa starb laut Leichenschein an einer Lungenentzündung etwa zwei Jahre nach seiner Einweisung in Kaufbeuren/Irsee – er starb am 9. August 1944 qualvoll an zwei Morphiumspritzen. Sein Todeskampf hatte fast einen ganzen Tag gedauert. Der Autor ging dann auch auf die Verfilmung des Buches ein und zeigte einen kurzen Filmausschnitt.

Anschließend folgte eine lange Fragerunde, da die 9. und 10. Klassen das Buch als Klassenlektüre gelesen hatten. Die Schüler und Schülerinnen wollten weitere Details wissen, die Robert Domes aufgrund seiner Recherchen und der langjährigen Auseinandersetzung mit der Thematik ausführlich erklären konnte. Vor allem kamen Fragen zu Lossas Familie und auch zur Tätigkeit als Schriftsteller.

Florian Schuster für die Fachschaft Deutsch